23. Pilztagung in Wiesbaden-Niedernhausen

Ein Rückblick

Das Jahr 2019 hatte in Sachen Fort- und Weiterbildung mit Veranstaltungen wie der 9. Berliner Schimmelpilzkonferenz oder dem 11. Internationalen Buildair Symposium für mich bislang schon einige Höhepunkte zu liefern, aber die Pilztagung war schon etwas Besonderes – nicht nur der langen Anfahrt und des für meine Begriffe als Nordlicht heißen Wetters wegen. Die Tagung bestand aus zwei Tagen, die gut gefüllt mit Fachbeiträgen waren, wobei der erste Tag in Form von frei kombinierbaren Workshops in kleiner Runde bestritten wurde und am zweiten Tag Vorträge folgten, denen gemeinsam in einem großen Tagungssaal gelauscht werden konnte. Zwischendurch gab es an und für sich ausreichend bemessene Pausen, in denen sich die Teilnehmenden (ganz gendergerecht) stärken, die Ausstellung besuchen, miteinander ins Gespräch kommen und den Weg in den nächsten Workshop-Raum finden konnten. Man könnte meinen, die Pausen seien lang genug gewesen, dennoch ist es gar nicht wenigen nicht gelungen sich pünktlich wieder einzufinden.

Was in Erinnerung bleibt – Highlights der Pilztagung

Mir besonders in Erinnerung geblieben sind drei Workshops:

Im Workshop “Feinreinigung besser verstehen: Der Mikronaut – Blick in die Mikrostruktur”, der für mich am Dienstag den Anfang machte, zeigten Karin E. Götz (Fa. Avalon, Schimmelpilzsanierung, Feinreinigung) und Dr. Christoph Trautmann (Umweltmykologie Berlin) anschaulich wie strukturiert eine scheinbar glatte Oberfläche auf mikrokopischer Ebene ist und welche Schwierigkeiten sich dadurch für die fachgerechte Feinreinigung nach einer Schimmelpilzsanierung ergeben. Daraus folgend waren die Stärken und Schwächen der üblichen Reinigungsverfahren auf unterschiedlichen Untergründen nachvollziehbar herauszustellen. Während im Rahmen des Workshops eifrig gereinigt, ausprobiert und der Reinigungserfolg anschließend unter dem Mikroskop überprüft wurde, kristallisierten sich an meinem Tisch zwei Erkenntnisse heraus:

  1. Weit besser als erwartet ist es grundsätzlich möglich sogar raue Oberflächen wie Beton/Estrich oder OSB-Platten fachgerecht von einer Kontamination zu befreien.
    Gleichzeitig machte sich jedoch Ernüchterung breit, weil
  2. die dafür erforderliche Sorgfalt im Sanierungsalltag insbesondere bei größeren Schäden wenig realistisch ist.

Eine solche Feinreinigung ist zum kleinen Preis nicht zu leisten. Wird, wie im Rahmen des Workshop erprobt, gereinigt, ist dies mit einem Arbeitsaufwand verbunden, den die wenigsten Auftraggeber bezahlen wollen.

Helmut Holbach bei der Luftprobenahme aus einer Lüftungsanlage
Luftprobenahme aus einer Lüftungsanlage

Später am Vormittag bewies Helmut Holbach in seinem Workshop, dass er selbst für Sachverständige, die seit Jahren regelmäßig Probenahmen mit den Holbachsystemen durchführen, noch hilfreiche Tipps und Kniffe auf Lager hat, die sie noch nicht kannten.

Besonders spannend war aber der Workshop von Dirk Herberg (Umweltanalytik in NRW), in dem er mit der optischen Bauforensik nicht nur ein vergleichsweise neues Verfahren zur Gebäudediagnostik vorstellte, sondern es auch Gelegenheit gab, die Brillen und Lampen selbst einmal auszuprobieren. Entdeckungen gab es dabei nicht nur an mitgebrachten Objekten sondern auch an der vorhandenen Bausubstanz des Tagungshotels zu machen.

Optische Bauforensik – Was ist das?

Die optische Bauforensik ermöglicht es unter Anderem, mit Licht unterschiedlicher Wellenlänge und jeweils auf die Lichtquelle abgestimmten Filtern Schimmelpilzschäden sichtbar zu machen, die sich (noch) nicht farblich von ihrem Substrat abheben (z.B. weißer Schimmel auf weißer Wand). Auch Schäden, die unbeseitigt einfach überstrichen wurden, lassen sich unter Einsatz der passenden Lampen und Lichtfilter aufspüren. Aber es gibt noch weitere Einsatzgebiete, wie ich am Rande der Veranstaltung herausfinde. Mit Hilfe der Bauforensik lassen sich Hinweise auf die Verwendung von organischen Stoffen aller Art finden. Schimmelgutachter Uwe Hannes schreibt dazu in seinem Blog im Artikel “Mit der Bauforensik schauen wir in die Tiefe!“, dass er damit im Nachhinein dem Estrichleger auch ohne zerstörende Probennahme auf die Schliche kommt, ob nun Trocknungsbeschleuniger verwendet wurde oder nicht.

Viel Literatur zu diesem noch sehr neuen Thema gibt es leider noch nicht. Von Hartmut Herzberg (Herzberg Gebäudeanalyse GmbH) erhielt ich in der Pause den Tipp, dass es aber ein Kapitel zu dem Thema im Schimmelpilz-Handbuch des Bundesanzeigers gibt.

Sehr enttäuscht hat mich der Workshop “Arbeit und Auswertung von Lüftungslogger-Systemen anhand eines realen Beispieles”. Erwartet hatte ich eine Auseinandersetzung mit einem konkreten Beispiel und möglichen Schlussfolgerungen nach der Auswertung der erhobenen Daten. Tatsächlich gab es Frontalunterricht von einem sitzenden Dozenten im Stil einer Verkaufsveranstaltung. Der Fokus lag auf der Anwendung der vorgestellten (käuflich zu erwerbenden) Excelmappe und nicht auf der Auswertung oder dem “realen Beispiel”. Offenbar war ich mit meiner Enttäuschung nicht alleine. Nach nicht einmal der Hälfte des Vortrags leerte sich der Raum deutlich.

Am zweiten Tagungstag folgten in (gefühlt zu) dichter Abfolge Fachvorträge vor großem Auditorium. Spannend waren dabei besonders die Vorträge von Prof. Dr. Anna Gorbushina über mikrobiellen Bewuchs auf Denkmälern und Photovoltaikanlagen und Dr. Wolfgang Scheiding über Schimmelpilzbefall in Kirchenorgeln wie auch der Bericht von der Sanierungsplanung nach einem Wasserschaden in einer KiTa von Robert Kussauer und Florian Schwan. Immer wieder sehr gut war der Vortrag von Pia Haun über Sanierungsplanung und Sanierungstechniken bei Schimmelschäden auf Holz.
Enttäuschend war der Vortrag von Prof. Dr. Hannah Monyer. Nicht dass die leidenschaftliche Vorstellung ihrer Forschungen nicht interessant gewesen wäre. Inhaltlich ist sie jedoch leider auf das Thema, das der angekündigte Titel des Vortrags so verheißungsvoll versprochen hatte, gar nicht eingegangen.

Nachwirkungen der 23. Pilztagung

Tasse Umweltmykologie mit Schimmel

Alles in Allem war die 23. Pilztagung eine absolut gelungene Veranstaltung. Das schönste aber waren die Szenen am Rande. Das Fachsimpeln in den Pausen, der Austausch mit Kollegen, Fachlaboren und Herstellern. Ein Give away, die Tasse der Umweltmykologie erlangte in den vergangenen Tagen bei Facebook eine regelrechte Berühmtheit und auch meinen Schreibtisch ziert eine solche. Großartig war auch der von Pia angestoßene Stammtisch am Vorabend, zu dem sich jeder hinzugesellen konnte, unabhängig von der Tagung. So konnte ich manch einen Kollegen, den ich bislang nur von Bildern kannte, neu kennenlernen und viele wieder treffen. Im nächsten Jahr bin ich auf jeden Fall wieder sehr gerne mit dabei!

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Über Natascha Sandmann 13 Artikel
Die Ingenieurin aus Isernhagen (Region Hannover) ist freiberuflich als Energieberaterin und Sachverständige für Schimmelpilzbelastungen tätig.

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